Frau Edith Kaiser geb.Nitschke war ab 1946 Lehrerin in Rosenhain. Sie schrieb ein Erinnerungsbuch aus dem pädagogischen Alltag aus der Zeit von 1945 bis 1955.

Hier einige kleine Ausschnitte, nun können Erinnerungen geweckt werden und man sagt "ja so war es damals!"

Winterschule 1946/47

 

Im Winter 1946/47 herrschte bittere Kälte.Es gab keine Brennstoffe,zumindest nicht annähernd genug für eine geheizte Schule.Was tun?Der Ausweg war eine Auslagerung des Unterrichts in die Gaststuben der hiesigen Dorfgasthöfe oder in die "guten Stuben"von Bauernhöfen.Zu unserer Zentralschule gehörten fünf Dörfer,so drei bis vier Kilometer vom Zentrum entfernt.In Kleinradmeritz war es eine Bauernstube,in die einige Bänke und eine Tafel aus der Schule gebracht worden waren.Am Vormittag wurden"die Großen"unterrichtet,Klasse 5 bis 8,und am Nachmittag war ich an der reihe mit "den Kleinen",Klasse 1 bis 4.Der Hin-und Rückweg wurde auf Skiern zurückgelegt,meist bei klirrendem Frost,den man kaum spürte.Wir lernten sehr eifrig und sehr lustbetont,hatten viel Spaß dabei.Waren die Kinder nach Hause entlassen,durfte das Fraulein Lehrerin in die Nebenstube kommen und wurde mit einem Butterbrot oder ähnlichem bewirtet.Da stellte sich auch heraus,daß es jaden Tag Hospitationen hinter der Verbinungstür beider Räume gegeben hatte.Der Grund:es sei so lohnend zuzuhören.Das machte froh und warm und war ein besonderes Dankeschön für die aufgebrachte Mühe.Ganz nebenbei:Ich hatte ebenfalls viel gelernt,nämlich wie man mit Hofhunden und Gänserichen umgeht,wenn sie mir und meinen Purzeln den Eingang zum Gehöft zu verwehren suchten.

Jackschie und die Heilkräuter

 

Heilkräutersammeln war angesagt.Der Aufruf kam vom Schulamt,vielleicht auch von der Gewerkschaft,war auch egal.Natürlich war es ein Wttbewerb innerhalb der Schule und ebenso,auf den Kreis bezugen,zwischen den Schulen.Der Preis:eine Klassenfahrt nach Dresden,der Bezirkshauptstadt.

 

Das Sammeln begann.Die Schüler brachten ihre Schätze in Körbchen und Säckchen.Alles wurde korrekt abgewogen und in Listen notiert.Es wuchsen die "Säulen"für die einzelnen Klassen in den Diagrammen an der Wandzeitung.

 

Lediglich Klasse 7b hatte keine Säule.Rücksprache in doppelter Art:ich mit den Schülern,der Schulleiter mit mir.Letzterer sprach mir ins Gewissen,teilte verhaltene Rügen aus.Die Schüler blieben bei ihrer festen Meinung,es sei kein Grund zur Besorgnis."Wir werden Kreissieger,Fräulein Nitschke.Wir fahren mit Ihnen nach Dresden,und dann ziehen Sie Ihr schönstes Kleid an,Sie wissen schon welches:Schneewittchen."Und wir wurden Kreissieger,und wir fuhren nach Dresden.-Wie das?

 

Nun,am Tag der Lieferung an die Kreissammelstelle fuhr Jackschie,das "Juwel" der Klasse in jeder Beziehung,mit Vaters Einspänner pfeifend und lachend vor und brachte eine vollbepackte Fuhre getrocknetes Hirtentäschel zur Ablieferung für Klasse 7b.Jackschie und seine Freunde hatten ein Ödland zur rechten Zeit mit der Sense gemäht,die Kräuter wie Heu getrocknet und nun geliefert.

Unser Schulfest

 

Im Sommer 1947 richteten wir ein großes Schulfest aus.Da wurden in den einzelnen Dörfern Festwagen gestaltet mit Märchenbildern,Rittern,Feen und Gnomen nach ortsgebundenen Sagen.Ein Festzug bewegte sich durchs Dorf,angeführt von einem Herold hoch zu Roß in historischer Tracht zur Musik der Dorfmusikanten.Ihr Programm mußte auf dem Amt genehmigt werden,um Gotteswillen keine Militärmusik!

 

Wir hatten eine Tombola mit verschiedenen Preisen.Der Landrat kaufte Lose für 100,00 Mark - und hatte keinen Gewinn dabei.Erstaunen auf beiden Seiten.In der Aufregung hatten wir vergessen,die Gewinnlose unter die Nieten zu mischen.

 

Es gab Kartoffelsalat und Würstchen für jedes Kind.Das war die größte Attraktion.Auch der Landrat wurde verpflegt und stieß mit uns an.Womit?Mit Wotka,den ein sowjetischer Offizier,verantwortlich für das Schulwesen im Kreis,mitgebracht hatte.Den Trinkspruch zum Umtrunk habe ich noch im Kopf:"Unser heutiges Brot gib uns täglich!.Alle hätten es nötig gehabt.

 

Am Abend war Freilichttheater vor der wunderbaren Baumkulisse unseres Dorfangers.Die "Großen" führtenein paar Szenen aus dem "Tell" auf,und Geßler erschien mit Berta natürlich hoch zu Roß.Es war der reitsichere Kollege Marche mit dem schönsten Mädchender Klasse8.Wie stolz war der auf seine blonde,holde Braut!

 

Ein Fackelzug beschloß den Tag.Die Lampions waren selbstgebastelt oder aus alten Truhen und Schränken hervorgeholt.Halbierte Kerzen und "Hindenburglichter"gaben den schein.Es war so ein gelungener Tag!Bis zum Morgen saßen wir im Kollektiv zusammen mit allen Erwachsenen aus dem Dorf,die geblieben waren.Kann man soetwas vergessen?

 

 

Kaspertheater

 

Für Kurzweil und Kunst hatten wir viel übrig.Die Attraktion war unsere Gruppe der Handpuppenspieler.Dort brachten wir es zu guter Perfektion.Wir hatten eine zerlegbare Bühne,selbstgemalte Kulissen und für die "großen Auftritte"einen Satz orginaler Hohensteiner Puppen.Die Vorlagen für die Programe lieferte ich den Spielern als Fabel,die sie dann in eigener Regie in Szene setzten.So war keine Starrheit,keine Einengung in der kinlichen Rede vorprogrammiert.

 

Wir fuhren mit unseren Requisiten mit einem kleinen Handwagen"durchs Land",traten hier und da auf,brachten unser Publikum,Kinder wie Erwachsene,zum Lachen und zu leuchtenden Augen.Das Ortskolorit kam nicht zu kurz,und mancher Zuschauer erkannte sich selbst,spielte durch Zwischenrufe berechtigend mit oder saß mit roten Ohren "bedäppert"still im Publikum.

 

Die Hexe führte und sprach Hubertus - unnachahmbar gut.Nach vielen Jahren traf ich ihn einmal wieder.Er hatte eine quirlige Puppenspielerschar um sich und stellte mich vor - sehr elegant mit Handkuß: "Dies ist die Frau,bei der ich einst das Puppenspiel erlernte."Die Kinder standen mit offenem Mund,staunten und applaudierten schließlich.Pädagogenlohn und auch - stolz.

Lupen für den Biologieunterricht

 

Biologie war ein Lieblingsfach an unserer Schule.Der Unterricht war praxisverbunden durch unseren Schulgarten,die Seidenraupen- und Kaninchenhaltung.Alles wurde geradezu vorbildlich von Schülergruppen mit ihren Lehrern versorgt.Schulgartenunterricht gab es bis Klasse 8.Der garten war groß.Wir bauten vorallem Weißkohl,Kohlrabi,Salat,Möhren und Petersilie an.Dafür hatten wir feste Abnehmer in den Konsumverkaufsstellen rundrum.Auch fuhren wir auf den Wochenmarkt in die Kreisstadt,wo wir einen Stand betrieben.Der Erlös war beachtlich.Und davon kauften wir eben die Lupen.

 

Als ein warmes Mittagessen in die dunklen Schrotbrötchen der Schulspeisung ablöste,ging unser gemüse auch in die Schulküche und so in unsere eigenen Mägen.